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Mein Fall
In »Mein Fall« habe ich erzählt, dass ich als elf- bis vierzehnjähriger Junge in einem Kloster missbraucht wurde. Es hat gut fünfzig Jahre gedauert, bis ich bereit war, die Täter beim Namen zu nennen; aber auch nur, weil keiner der Täter mehr lebte. Daraufhin haben mir viele Menschen geschrieben, die eine verborgene Lebenserfahrung in sich tragen und um einen angemessenen sprachlichen Ausdruck ringen. Genau um die Verschriftlichung solch sensibler Stoffe geht es in dieser Werkstatt.
Unabhängig davon, ob ein autobiographischer Text öffentlich wird, hilft allein schon das Aufschreiben, weil das Vergangene endlich eine Sprache findet. Das Outing eigenen Leidens kann freilich auch frustrierend sein, wenn sich niemand dafür interessiert oder einem auch noch Misstrauen entgegenschlägt, als wollte man sich nur wichtigmachen.
Die Werkstatt interessiert sich für solche »schwierigen« Geschichten und wie sie sich darstellen lassen. In der diskreten Atmosphäre eines Seminarraums, unter Menschen mit einem vergleichbaren Problem reden wir über Themen, die sich dagegen sperren, freimütig präsentiert zu werden. Wie also können wir mit den oft schambesetzten eigenen Erinnerungen umgehen?
Mit »sensiblen Stoffen« sind nicht nur Geschichten über sexuelle Gewalt gemeint, sondern alle Art von (autobiographischen) Erinnerungen, die Diskretion verlangen. Dabei ist es manchmal besser, Namen und Adresse zu nennen, manchmal ist aber auch eine Fiktionalisierung sinnvoll, um sich dem Stoff zu stellen. Wir sehen uns das anhand der vorgelegten Texte an und beraten darüber, was zu tun ist.
Vorab fassen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf 1 Normseite ihr Schreibprojekt zusammen und schicken darüber hinaus max. 5 Normseiten Textprobe aus ihrem Projekt für einen Reader, mit dem sich alle Teilnehmer auf die Werkstatt vorbereiten. Die Texte bitte an:
sabine.oehlmann@bundesakademie.de.
Lesung mit Josef Haslinger am 9. Oktober, 20 Uhr.