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Lebendige Regenschirmwälder

Ein Interview mit der Kulturwissenschaftlerin und Bühnen-/Kostümbildnerin Maria Wolgast

Ein Kostüm aus Kabelbindern? Ein lebender Regenschirmwald? Eine Bühne aus Feuerwehrschläuchen? Maria, du arbeitest in deinen Bühnen- und Kostümbildern immer wieder mit Materialverwandlungen. Was interessiert dich an der künstlerischen Transformation von Materialien?

Die Neugier und das Staunen darüber, was Objekte und Materialien im Theater noch sein können – jenseits ihrer bekannten Alltagsfunktion – das hat mich schon immer fasziniert. Welche unterschiedlichen Atmosphären, Assoziationen und Eigenleben stecken in Materialien oder Objekten? Was können sie erzählen? Mein erstes Kostüm habe ich mit 16 aus 150 Papprollen und Gummibändern gebaut – ich war wie ein laufendes Xylophon auf der Bühne. Das war eine Initialzündung! Im Studium habe ich dann weiter mit nicht-textilen Materialien für Kostüm und Raum experimentiert: ein Phädra-Gewand aus Teig, Chor-Masken aus Tablettenverpackungen, mein erstes Bühnenbild bestand ausschließlich aus Styroporchips. Diese Begeisterung begleitet mich bis heute – nach über 20 Jahren Theaterarbeit: ein zentrales Bild oder Universum zu finden, verbunden durch eine Materialität, die möglichst wandlungsfähig ist. Natürlich nicht beliebig, sondern als materielle Übersetzung für das, was für mich das Kernthema ist – unabhängig davon, ob es sich um eine Ausstellungsinstallation, ein Musiktheater, Schauspiel, Kinder- oder Jugendtheater oder Projekte im urbanen Raum handelt.

Du unterrichtest seit vielen Jahren in künstlerischen Studiengängen und gibst Workshops zu Materialtransformationen. Möchtest du deine Begeisterung weitergeben?

Unbedingt! Es macht mir riesige Freude, mit Menschen gemeinsam spielerisch Material zu erkunden. Für mich ist es immer wieder eine Entdeckungsreise, welche szenischen Impulse dabei spürbar und erfahrbar werden – und das ganz ohne schauspielerische Expertise oder sprachliche Fähigkeiten, mit sehr unterschiedlichen Zielgruppen. Es geht um die Offenheit fürs Experimentieren mit Material in Bezug zu Körper und Raum. Diese Spannungsverhältnisse auszuloten – ein Verwandlungsprozess von Material und dem daraus entstehenden Raum, initiiert durch die Akteur_innen. Zum Beispiel: Menschen mit Regenschirmen verwandeln sich in Quallen oder Anglerfische und erzählen eine Tiefseegeschichte in Bildern. Wie das geht? Das erfährt man im Workshop!

Welche Rolle spielen dabei Nachhaltigkeit und finanzielle Rahmenbedingungen?

Ökologische Aspekte im Umgang mit Materialien und Ressourcen sind mir seit jeher wichtig – und es ist mir ein zentrales Anliegen, das auch zu vermitteln. Es beginnt bei der Materialrecherche und -akquise: Welche Möglichkeiten gibt es, von Materialinitiativen bis hin zur Grünen Bühne? Besonders in freien Theaterprojekten oder in Institutionen mit Sparvorgaben ist oft Low-Budget angesagt. Das muss aber keineswegs ein Nachteil sein – im Gegenteil: Es fordert zu bewussterem Denken und Arbeiten heraus. Ich liebe es, im Fundus zu stöbern, Dinge wiederzuverwenden. Früher war ich oft auf Recyclinghöfen, um Anregendes für die Bühne zu finden – egal ob Papier, Pappen, Styroporchips, Fahrradschläuche, Plastikeimer oder verschiedenste Verpackungsmaterialien.
Spannend ist für mich auch immer, welche Erfahrungen und Ideen die Workshop-Teilnehmenden mitbringen. Das Thema ist komplex und essenziell – es betrifft uns alle, auch im größeren politischen und ökonomischen Zusammenhang. Ich finde es absolut notwendig, hier Verantwortung zu übernehmen und Denkanstöße zu geben.
Wenn das gelingt, ist es im besten Fall eine Initialzündung – für nachhaltiges Theaterarbeiten.

Credits: Maria Wolgast

Hier geht`s  zum Workshop mit Maria Wolgast

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