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3 Fragen an Matthias Kalle

6. Obergeschoss mitten in Berlin – ein grandioser Blick. Zumindest bei Konferenzen hat Matthias Kalle diese Aussicht, ansonsten arbeitet er in seiner Rücksicht-auf-die Kollegen-Raucher-Klause. Kalle gehört neben Christoph Amend zum Leitungsduo des ZEIT-Magazins und sorgt mit seinem Team dafür, dass das Magazin jede Woche so gut aussieht, wie es aussieht. Er kenne keinen Stress, sagt Kalle, trotz der vielen Dinge, um die er sich täglich kümmern muss. Ob es daran liegt, dass er sein Smartphone regelmäßig vom frühen Abend bis zum nächsten Morgen ausschaltet? Wenn er neben Arbeit und Familie Ruhe zum Schreiben findet, entstehen so leichtfüßige Bücher wie „Normal hält das“, das sich um „Hausbau und andere Katastrophen“ dreht. Über den Dächern von Berlin stellte ihm Olaf Kutzmutz drei Fragen.

 

Welche Themen packen Sie beim ZEIT-Magazin nicht an?

 Anfangs ist alles möglich. Wir versuchen in der Redaktion ein Klima zu schaffen, in dem jeder jedes Thema auf den Tisch hauen kann. Dann reden wir gemeinsam darüber. Übrigens scheitern am Geschmack viel mehr Themen als an der Angst, wir könnten uns an einem heißen Eisen die Finger verbrennen. Wir haben vor einem halben Jahr eine Titelgeschichte gemacht, in der Heike Faller einen Pädophilen über Monate begleitet hat – der Mann machte eine Therapie, eines der Ziele war, dass er seiner Schwester erzählen konnte, was mit ihm los ist. Fallers Geschichte war getragen von Verständnis und von Empathie – zwei Dinge, mit denen manche Menschen bei diesem Thema nicht unbedingt zurechtkommen; die Geschichte war auch in der Redaktion nicht unumstritten. Aber es war wichtig, dass wir sie gemacht haben, und Heike Faller hat dafür den Henri-Nannen-Preis gewonnen. Um welches Thema es auch immer geht: Ich halte für unerlässlich, eine plausible und gute Geschichte zu erzählen, die unsere Leser unterhält, informiert, ja zum Nachdenken bringt.

 

Was unterscheidet journalistisches vom literarischen Schreiben? 

Unlängst gab es einmal mehr eine Feuilleton-Debatte über das Ende des Romans. Die spannendsten Bücher seien nicht in der Fiktion angesiedelt, sondern arbeiteten sich an realen Gegebenheiten ab, hieß es. Na ja. Aber was bedeutet das für journalistisches Schreiben? Was ein Journalist beschreibt, muss passiert sein, Quellen und Akteure seiner Texte müssen leibhaftige Menschen sein. Das ist ein grundsätzlicher Unterschied zur fiktionalen Literatur. Der journalistische Text muss glaubwürdig, er muss wahr sein. Im Aufbau und stilistisch kann er sich jedoch an literarische Vorbilder anlehnen. So fühlt sich der Leser von einer Erwin-Koch-Reportage vielleicht genauso gepackt wie von einer Kurzgeschichte Peter Stamms.

 

Welche Leidenschaft haben Sie neben dem Journalismus? 

Dann eben doch: die Literatur. Zum Schreiben komme ich als stellvertretender Chefredakteur leider nur selten. Der Preis, den ich für den Aufstieg in der Hierarchie bezahlt habe, ist eine verschwindend geringe Präsenz mit eigenen Magazingeschichten. Ein Text pro Jahr vielleicht. Aber warum habe ich mir irgendwann diesen Beruf ausgesucht? Nicht vor allem um ein Blatt zu machen, davon hat man als junger Mensch ja keine Ahnung, sondern um zu schreiben. Ich mache das Magazin gern, freue mich jedoch über die Momente, an denen ich an einem Roman arbeite, der möglicherweise niemals erscheint. Eine halbe Romanseite am Morgen, bevor mich der journalistische Alltag wieder einfängt – das ist schön.

 

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