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3 Fragen an Ulrike Draesner

Wenn abends niemand mehr im Institut ist, wirkt die Villa auf sie wie ein eigenes Haus voller Bücher. Das Deutsche Literaturinstitut, an dem Ulrike Draesner rund sechzig Studentinnen und Studenten das (bessere) Schreiben lehrt, ist für sie offenbar mehr als ein Arbeitsort. Dafür spricht auch die türkisfarbene Tapete mit den güldenen Bienen, die sie eigens für ihr Büro ausgesucht hat. Quasi ein Sinnbild für die Arbeit hier, sagt Ulrike Draesner. Seit dem Frühjahr 2018 lehrt sie als Professorin am Leipziger Traditionsinstitut, das von der Kaffeemaschine bis zur Gänsefederlampe im Raum 302 vieles bietet, was auch ein Zuhause ausmacht. Dazu passt, dass Ulrike Draesner dem Besucher selbstgebackene Weihnachtskekse anbietet – lecker!

Wenn sie als Beruf entweder Professorin oder Schriftstellerin angeben müsste, dann Schriftstellerin. Klare Sache, sagt Ulrike Draesner, denn ohne ihre Arbeit als Lyrikerin, Romanautorin, Essayistin und Übersetzerin wäre sie nie Professorin in Leipzig geworden. Schreibförderung war und ist für Ulrike Draesner seit jeher wichtig. Das belegen nicht nur die zahlreichen Werkstätten, die sie unter anderem an der Bundesakademie in Wolfenbüttel geleitet hat. Ebenso wichtig wie die Schreibförderung ist für Ulrike Draesner eine möglichst breite Leseförderung. Und zwar als Haltung und Vermittlung von Werten, sagt sie.

Wem Ulrike Draesner den Literaturnobelpreis verleihen möchte, wenn sie frei entscheiden dürfte? Das behält sie für sich und lächelt schelmisch. »Für die nächsten fünfzig Jahre jedenfalls nur an Frauen«, sagt sie.

Bei seinem Besuch in Leipzig stellte ihr Olaf Kutzmutz drei weitere Fragen.

 

Schreiben lehren und selbst schreiben – wie gut passt das zusammen?

Wäre ich doch mit einem Privatvermögen auf die Welt gekommen, habe ich mir manchmal gewünscht. Das war leider nicht der Fall, und so gehörte es stets zu meinem Leben, Geld zu verdienen. Ich habe fünfundzwanzig Jahre als freie Autorin gelebt, aus meinen Büchern gelesen, auf Podien und in Jurys gesessen, Vorträge gehalten. All das braucht Zeit, die vom Schreiben abgeht. Geld verdienen und eigenes Schreiben waren in meinem Leben aber immer miteinander verbunden und haben sich gegenseitig befruchtet. Mit der Professur in Leipzig hat sich insofern gar nicht viel geändert, doch habe ich wegen der Lehre am Institut manch andere Veranstaltung von meinem Stundenplan gestrichen und verdiene dieses Geld jetzt hier mit Unterricht. Was mir daran besonders gefällt: die Nachhaltigkeit, die Lebendigkeit und der so intensive Austausch mit Anderen über Literatur. Ich brauche das als Gegenwicht zur einsamen Arbeit am Schreibtisch.

 

Wie sieht ein idealer Literaturstudent aus?

Dem bin ich noch nie begegnet, und den gibt es zum Glück auch nicht. Ob erst siebzehn oder schon fünfunddreißig, jeder kommt zum Schreiben mit seiner Geschichte, seinen Talenten, seinen Beschränkungen, seinem Blick auf die Welt. Und genau von diesen Unterschieden lebt Literatur, von dieser persönlich verbürgten Mischung. Wenn wir uns bei allem Lehren und Lernen fragen: Schreiben Maschinen irgendwann Literatur, und wie gut werden sie das tun?, dann gilt unabhängig von der Antwort, dass eines uneinholbar ist für die künstlichen Intelligenzen: dieses Moment von Individualität, von unverwechselbarer und authentischer Erfahrung.

 

Wie heikel war die Gratwanderung zwischen Essay und Offenbarung bei »Eine Frau wird älter. Ein Aufbruch«?

Mein Glück war, dass dieses Buch einen Vorläufer in einem mündlichen Erzählprojekt hatte. Mir haben am Küchentisch zwei Männer zugehört, ich sprach in ein Mikrofon. Den einen Mann kannte ich gut, den anderen gar nicht. Also hatten wir neben der Geschlechtertrennung auch einen Moment von Fremdheit in dieser Runde. Erst im Nachhinein wurde mir klar, wie günstig diese Konstellation war. In einem Freundinnengespräch wären vermutlich intime Dinge auf eine Weise zur Sprache gekommen, die ich ungern veröffentlicht hätte. Die Runde mit den zwei Männern führte bei mir zu einem anderen Erzählen, einem besonderen Umgang damit, Grenzen zu achten und doch offen und klar zu sein. Das gilt auch für das Buch. Alles entwickelt sich aus der Verbindung von Analyse und gelebtem Leben, von Beobachtung, Gedanke und Gefühl. Das eröffnet der Leserin, dem Leser Raum, die eigene Erfahrung gegenzuhalten. In dem Bereich »Erfahrungen mit dem weiblichen Körper« gibt es noch immer so viele Tabus und diskriminierende Klischees. Da geht es erst einmal darum, Sprache herzustellen, um wahrzunehmen, was mit einem geschieht. Und das tut das Buch.

 

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