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#Corona

Die Situation Kulturschaffender in Niedersachsen

Es muss mehr passieren!

Prof. Dr.  Vanessa Reinwand-Weiss im Interview

Liebe Frau Reinwand, uns alle beschäftigt seit Wochen nur noch ein Thema: Corona. Museen, Theater, Konzerthallen, kulturelle Zentren und nicht zuletzt die Bundesakademie mussten ihren Präsenzbetrieb komplett einstellen. Viel wurde über Hilfspakete und Maßnahmen gesprochen – trotzdem warnt der Arbeitskreis niedersächsischer Kulturverbände jetzt vor einem Kulturkollaps.

Wie sieht die Situation derzeit in Niedersachsen konkret aus?
Am 25.3.2020 hat das Ministerium für Wissenschaft und Kultur in Niedersachsen ein Unterstützungspaket für Künstlerinnen und Künstler bekannt gegeben, was als Liquiditätssicherung für kleine Unternehmen über die NBank vergeben wird. Das ist für den einen oder die andere hilfreich, aber bei weitem nicht genug. Ein zweites Programm für Kultureinrichtungen, die meisten davon als Vereine und Verbände organisiert, ist bislang nur versprochen, aber nicht umgesetzt. Auch die dafür anvisierten 10 Millionen EUR sind ein absolutes Minimum. Es wird deutlich mehr benötigt, um die Existenz dieser Einrichtungen abzusichern und auch nach Corona noch ein funktionierendes Feld an Kulturanbietern in Niedersachsen zu haben.

Gibt es Berufsgruppen oder Einrichtungen, die von der Politik bisher vergessen wurden?
Es gibt etliche Einrichtungen, die bislang in Niedersachsen »durch das Raster fallen«. Das liegt zumeist an ihrer Verfasstheit und Organisation. Vereine haben meist nur geringfügige Rücklagen und oft hohe Personalkosten, die beispielsweise durch die Förderprogramme nicht gedeckt sind. Das ganze Heer der Honorarkräfte, mit denen gerade die Kulturelle Bildung arbeitet, ist nicht berücksichtigt. Am Beispiel der Bundesakademie: Wir bekommen zwar unsere institutionelle Förderung durch das MWK weiter gezahlt, wofür wir dankbar sind, aber erwirtschaften mit unseren Angeboten und Dienstleistungen auch einen hohen Eigenanteil, der uns jetzt zum Verhängnis wird und ein monatliches Defizit verursacht. Wir versuchen dieses aktuell durch Kurzarbeit einzusparen. Unsere externen Dozierenden erhalten nichts, da die Seminare nur teilweise ins Digitale verlagert werden können.

Wie wird die niedersächsische Kulturszene nach Corona aussehen?
... wenn nicht mehr Mittel fließen werden, sehr armselig. Gerade das Flächenland Niedersachsen lebt von einer breiten Kulturszene vieler kleinerer Anbieter. Soziokulturelle Zentren, theaterpädagogische Einrichtungen, Jugendkunstschulen und viele mehr, die jetzt nur sehr begrenzt arbeiten und Einnahmen generieren können. Wir haben bereits von verzweifelten Vermittler_innen gehört, die ihren Beruf aufgeben wollen. Die Kulturelle Bildung hat sich in den letzten Jahren gut entwickelt. Es droht nun ein harter Einschnitt, der nicht nur das kulturelle Leben ärmer macht, sondern Niedersachsen weitere Punkte in Sachen Teilhabe- und Bildungsgerechtigkeit kosten wird.

Was muss die Politik in den nächsten Tagen und Wochen dringend anpacken?
Ich denke, es muss Nachbesserungen in den Unterstützungsmaßnahmen geben und die bereits angekündigten Maßnahmen müssen endlich umgesetzt werden.

Was befürchten Sie? Was macht Ihnen Mut?
Ich fürchte mich vor den Langzeitfolgen. Kultur und kulturelle Bildung haben bereits einen schweren Stand in der politischen Diskussion und Umsetzung. In den letzten Jahren wurde eine gewisse Sichtbarkeit und ein Verständnis dafür erzielt, dass eine moderne Gesellschaft diese Bereiche nicht als freiwillige Leistungen deklarieren darf. Vielmehr sind es öffentliche Güter, die allen zugänglich sein müssen, um uns in die Lage zu versetzen, Gesellschaft erfolgreich mitzugestalten. 
Was mir Mut macht? Gerade in der Krise wird deutlich, was der und die Einzelne und wir als Gesellschaft brauchen und was vielleicht weniger wichtig ist. Ich sehe Nachbarn gemeinsam auf Abstand singen, ich sehe Menschen ihre alten Instrumente rausholen, Kinder, die Tanzschritte online üben und Erwachsene, die schreiben. Ich würde mich freuen, wenn wir nicht zu schnell zur Tagesordnung zurückkehren, sondern weiter entwickeln, was uns in diesen Zeiten gut tut - dies wird das kulturelle Leben sowie die Kulturelle Bildung quasi automatisch stärken.

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